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Jane Archibald – Mein Seelenort: Mein Haus in Halifax - Deutsche Oper Berlin

Jane Archibald – Mein Seelenort: Mein Haus in Halifax

Jane Archibald liebt ihr Zuhause in Kanada. Nach Berlin kommt sie dennoch: als Kaiserin in Strauss’ DIE FRAU OHNE SCHATTEN

Mein Seelenort ist mein Haus in Halifax. Es ist nur eine Autostunde entfernt von dem Haus, in dem ich aufgewachsen bin und wo meine Mutter noch heute lebt. Mein Mann, der Tenor Kurt Streit, stammt aus einer Militärfamilie, die alle drei Jahre umziehen musste, für ihn ist es nicht normal, an einem Ort Wurzeln zu schlagen. Aber ich habe eine starke Verbundenheit zu Nova Scotia und all den vertrauten Plätzen meiner Kindheit. Halifax ist die Hauptstadt von Nova Scotia, eine Halbinsel an der Ostküste Kanadas.

Wir sind vor zehn Jahren von Österreich zurück nach Kanada gezogen und haben dieses Haus gefunden. In der Sekunde, in der wir über die Schwelle traten, wussten wir: Das ist es. Unser Zuhause. Manchmal spürt man so etwas. Es stammt von 1890 und ist aus Holz gebaut wie viele Häuser in unserer Gegend. Die Front weist auf eine geschäftige Straße, schräg gegenüber liegt ein großer Park mit Baseball-Anlagen und Cricket-Feldern, »The Halifax Commons«. Im Winter kann man dort Schlittschuh laufen, im Sommer joggen die Leute oder fahren Rad. Wir nennen den Park unseren Vorgarten, den wir nicht mähen müssen.

Wenn ich darüber nachdenke, was aus einem Haus ein Zuhause macht, fallen mir viele Dinge ein. Es ist der knarrende Fußboden. Der Geruch. Die Katze, die dir auf den Schoß kriecht, während du eine Tasse Kaffee trinkst. Wie das Licht zu verschiedenen Zeiten des Jahres durch die Fenster fällt. Und natürlich sind es die Menschen. Meine Tochter, die oben ihr Buch liest, mein Mann, der in der Garage werkelt, der Nachbar, der auf einen Plausch vorbeikommt und mich fragt, ob ich eine gute Reise hatte, wenn ich unterwegs war.

Es gab eine Zeit, in der ich fast verbissen versuchte, die Arbeit vom Rest meines Lebens zu trennen. Das habe ich überwunden, aber wann immer ich zuhause bin, tue ich so, als habe ich einen »normalen« Job. Ich halte mir die Abende und Wochenenden für die Familie frei und versuche, all die Dinge, die mein Beruf abseits der Proben und Auftritte verlangt – den Verwaltungskram, die Emails, das Lernen – zwischen 9 und 17 Uhr zu erledigen. Deswegen gibt es auch einen Raum für Musik in unserem Haus. Mit einem wunderschönen Steinway, den mein Mann von seiner Gesangslehrerin an der Uni vererbt bekam. Wir mussten ihn von Albuquerque, New Mexiko, nach Nova Scotia bringen.

Archibald in ihrem Musikzimmer vor ihrem geliebten Steinway. Den Flügel hat ihr Mann Kurt Streit, ein österreichischer Tenor, einst von seiner Gesangslehrerin geerbt © Darren Calabrese
 

Wenn ich die Zeit habe, fange ich sehr früh an, mich auf eine Rolle vorzubereiten. Die Kaiserin aus Strauss’ DIE FRAU OHNE SCHATTEN, die ich an der Deutschen Oper Berlin singe, lerne ich bereits seit dem vergangenen Winter. Ich liebe Strauss! Wie er für Sopran schreibt, ist einzigartig. In meinen frühen Jahren habe ich mir mit Zerbinetta aus ARIADNE AUF NAXOS ein Standing als Koloratursopran erarbeitet – jetzt mit dem dramatischen Sopran der Kaiserin mein Repertoire erweitern zu dürfen, setzt mich auf positive Weise unter Druck und gibt mir Energie. Selbst an Tagen, an denen sich meine Stimme müde anfühlt oder ich krank bin, nutze ich die Zeit, um mit einer Tasse Tee in der Küche den Text durchzugehen.

Ich bin gespannt, wie Regisseur Tobias Kratzer mit dieser Geschichte umgehen wird, die auf so viele Arten interpretiert werden kann. Das Dilemma der Kaiserin ist, dass sie »keinen Schatten« hat: Sie kann keine Kinder bekommen – weshalb ihre Amme auf die Idee verfällt, einer Färbersfrau gegen Geld diese Fähigkeit abzuhandeln. Ich selbst bin Mutter, ich wollte immer eine sein – aber selbst wenn dieser Wunsch unerfüllt geblieben wäre, hätte ich trotzdem ein glückliches Leben. Was mich mit der Kaiserin verbindet, was wir alle mit ihr gemeinsam haben, ist der Kampf darum, die richtigen, die menschlichen Entscheidungen zu treffen. Es kann fast unmerklich passieren, dass wir etwas so unbedingt wollen, dass wir darüber unseren Sinn für Moral verlieren. Die Geschichte der Kaiserin lehrt, dass es nie zu spät ist, sich zu besinnen und zu sagen: Halt, stopp! Ich habe den falschen Weg eingeschlagen.

Mittlerweile bin ich an einem Punkt in meiner Karriere, wo ich mich traue, Rollen abzulehnen – vor allem, wenn ich sie schon so oft gesungen habe. Es hat einen Grund, dass mein Seelenort mein Haus ist. Ich bin nicht gerne wochenlang von meiner Familie getrennt. Wenn ich es in Kauf nehme, dann für etwas Bereicherndes und Herausforderndes. Wie die Kaiserin in DIE FRAU OHNE SCHATTEN.

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